Freundeskreis Jüdisches Leben in Waldshut-Tiengen - Mitglied der Bürgerzunft 1503 Tiengen e.V.
Jüdisches Leben in Waldshut-Tiengen
Geschichte der Juden in Waldshut-Tiengen
nach 1945
1945-46 Nach mehrfachen Beschwerden des Oberrates der Israeliten
Badens werden die Reste des jüdischen Friedhof wieder hergerichtet und bepflanzt.
In der Mitte wird ein Gedenkstein errichtet, mit den Namen der Bestatteten, soweit
diese rekonstruierbar sind.
1947 Prozesse vor dem Landgericht Waldshut
Im Sommer 1947 beginnt beim Landgericht Waldshut die Aufarbeitung der in der
Reichspogromnacht begangenen Verbrechen.
Auf der Anklagebank sitzen neben dem ehemaligen Tiengener Bürgermeister
Wilhelm Gutmann 8 Tiengener und 2 Waldshuter Beteiligte. Ein Hauptbeteiligter
befindet sich in britischer Gefangenschaft, zwei weitere Hauptakteure sind im Krieg
gefallen. Wichtige Beweismittel der Anklage sind Fotos von der Reichspogromnacht.
Die Strategie der Verteidigung baut auf zwei Punkten auf:
•
Abwälzung der Hauptschuld auf die beiden gefallenen Akteure
•
Anzweiflung der Beweiskraft der Fotos: „Lediglich die Anwesenheit am Tatort ist
und kann niemals allein der Beweis der Teilnahme sein.“
Die Strafkammer des Landgerichts trennt das Verfahren von Wilhelm Gutmann ab.
Ansonsten werden verhängt: eine Zuchthausstrafe von 2 Jahren und 2 Monaten,
eine von 2 Jahren sowie eine Gefängnisstrafe von 7 Monaten. Die übrigen
Angeklagten werden frei gesprochen.
Im Oktober 1947 findet der Prozess gegen Bürgermeister Gutmann und den aus der
Gefangenschaft zurückgekehrten ehemaligen SA-Sturmführer H. statt. Neben den
Vergehen in der Reichspogromnacht gibt es noch weitere Anklagepunkte.
Vom Prozessverlauf berichtet der Südkurier am 14.10.1947:
„…bei den meisten (Zeugen) setzte das Gedächtnis aus, wenn es galt,
entscheidende Aussagen zu machen…“
„In der Partei gab es zwei Sorten Mitglieder: Die „feinen Maxe“ und die Büttel. Die
erstgenannten brüteten am Grünen Tisch die verwerflichen Aktionen aus, während
den zweitgenannten vorbehalten blieb, diese auszuführen. So wurden die Büttel die
exponierten Übeltäter… Die wahren Drahtzieher blieben im Dunkeln… Während
Gutmann ein typischer „feiner Maxe“ war, … war H. der Musterbüttel, wie ihn die
Partei brauchte.“
„…..Im Schlusswort zog Gutmann noch einmal alle Register seines rethorischen
Talents, unterstrichen durch einige Tränenausbrüche, die ihre Wirkung auf die
zahlreichen Zuschauer nicht verfehlten, auf den kühlen und erfahrenen Richter aber
wenig Eindruck machte. Er (Gutmann) hatte die Rolle des Verblendeten zu gut
gespielt, um ernst genommen zu werden.“
Das Gericht verurteilt Gutmann zu 1,5 Jahren und H. zu 3 Jahren Haft.
2000 Die in der „Schandmauer“ vom Seilerbergweg verbauten Grabstein-
fragmente werden auf den jüdischen Friedhof zurück geführt und daraus ein
Mahnmal errichtet. Bei der feierlichen Wiedereröffnung des Friedhofs hält
Ministerpräsident Erwin Teufel die Gedenkrede und Kurt Guggenheim aus New York
spricht das Kaddisch (Totengebet).
2008 Eröffnung des „Jüdischen Zimmers“ im Klettgaumuseum, im Schloss
Tiengen, mit dem Titel „5 Jahrhunderte Jüdisches Leben in Tiengen“.
Ministerpräsident Erwin Teufel bei seiner
Ansprache anlässlich der Wiedereröffnung
des jüdischen Friedhofs Tiengen am
9. November 2000
Bild: Freundeskreis
Jüdisches Leben WT
Bild: Klettgaumuseum, Jüd. Zimmer
Beweismittel der Anklage im Prozess vor
dem Landgericht Waldshut
Bild: Klettgaumuseum,
Jüdisches Zimmer
Schild am Eingang des Friedhofes
von 1981